Prof. Dr. Bernd Fabritius

Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten

Prof. Dr. Bernd Fabritius (Bild: Henning Schacht)

Lieber Romani Rose, meine Damen und Herren, 

zum 40-jährigen Jubiläum der Gründung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma überbringe ich die herzlichsten Grüße der Bundesregierung und gratuliere von Herzen.

Wir feiern gemeinsam ein Jubiläum, das nicht nur den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zurecht mit Stolz erfüllt, sondern für viele Menschen in Deutschland von hoher Bedeutung ist und für die gesellschaftliche Vielfalt in unserem Lande besondere Strahlkraft entfaltet. Mit der Gründung eines eigenen Dachverbandes am 6. Februar 1982 wurde der Anspruch dokumentiert, der Gemeinschaft der deutschen Sinti und Roma eine selbstverständliche und gleichberechtigte Teilhabe in Politik und Gesellschaft zu sichern und ihnen als nationale Minderheit besonderen Schutz und Förderung zuteilwerden zu lassen. 16 Jahre später wurden die deutschen Sinti und Roma neben der dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe und dem sorbischen Volk als autochthone nationale Minderheit vom Deutschen Bundestag anerkannt. Dieser Status begründet nach dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten besondere staatliche Schutz- und Förderverpflichtungen, denen Deutschland aus dem Wissen um die besondere Verantwortung in enger Abstimmung mit dem Zentralrat gern nachkommt. 

Aufgrund des zivilgesellschaftlichen Engagements der Sinti und Roma in Deutschland, vor allem durch ihren Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, konnte ein Regierungsbeschluss zur Errichtung eines Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas erwirkt und im Jahr 2012 dann die Einweihung der Gedenkstätte unmittelbar am Reichtag im Beisein der damaligen Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel und des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck gefeiert werden. Auch wenn es angesichts der Planungen der Deutschen Bahn für eine neue S-Bahn-Strecke in dieser Region erneut Diskussionen über den richtigen Umgang mit dem Denkmal gibt, bin ich überzeugt davon, dass diese auch innerhalb der Gemeinschaft der Sinti und Roma bestehenden Meinungsverschiedenheiten beigelegt werden können. Ich vertraue dabei auf die konstruktive und einigende Kraft des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, dem gerade in der jüngeren Vergangenheit weitreichende Erfolge im Ringen um die gesellschaftspolitische Partizipation der Sinti und Roma zu verdanken sind. Ich erwähne nur beispielhaft:

  • Die Einsetzung des Beratenden Ausschusses für Fragen deutscher Sinti und Roma beim Bundesministerium des Innern und für Heimat im Jahr 2015.
  • Oder die Regelung zur Finanzierung des Erhalts der Gräber der vom Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma mit dem Bund und den Ländern.
  • Die vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma angestoßene Einsetzung einer Unabhängigen Kommission Antiziganismus im Jahr 2019.
  • Oder die Formulierung von Maßnahmen im Rahmen des Kabinettausschusses Rechtsextremismus und Rassismus, die der Bekämpfung von Antiziganismus dienen. Auch hier nahm der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eine führende Sprecherrolle wahr.

Auf europäischer Ebene ist der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in den letzten Jahren ein verlässlicher Ansprechpartner sowohl für die EU-Kommission als auch für zivilgesellschaftliche Organisationen innerhalb der Europäischen Union geworden. Seine aktuellen Bemühungen um die Entschärfung der Situation für aus der Ukraine flüchtende Sinti und Roma unterstreichen dieses Engagement eindrucksvoll. Ich bin sicher, dass der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma seine prägende gesellschaftspolitische Rolle in unserem Land künftig weiter ausbauen wird. Mit dem jüngst im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingesetzten Antiziganismusbeauftragten gewinnt der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma einen weiteren wichtigen Ansprechpartner für eines seiner zentralen Anliegen hinzu. 

 

Der Einsatz gegen Antiziganismus, meine Damen und Herren, ist bei fortgesetzter Diskriminierung auch in Deutschland essenziell und wichtig. Er reicht aber nicht aus, um die vollständige Inklusion der Sinti und Roma in unsere Gesellschaft zu verwirklichen. Wir müssen den Blick vielmehr weiter dafür schärfen, dass Sinti und Roma als Träger einer eigenen reichen Kultur mit spezifischen Traditionen und Bräuchen eine Bereicherung unserer Gesellschaft sind, die meist einseitige Perzeption dieses Personenkreises als sozial und gesellschaftlich benachteiligte Gruppe nährt ein antiziganistisches Klischee, mit dem wir aufräumen müssen. Eine so eingeschränkte Sichtweise wird dem kulturellen Reichtum und der Identität dieser Gemeinschaft nicht gerecht. Gerade im Umfeld des 8. April, dem internationalen Tag der Roma, fordere ich daher, den Fokus verstärkt auf das Bereichernde, das Interessante und all das Wissenswerte zu richten, was es zu den Sinti und Roma als Kulturvolk in Deutschland zu entdecken und berichten gibt. Genauso habe ich das Wirken des Zentralrates bisher auch immer verstanden.

In diesem Sinne wünsche ich dem Zentralrat weiterhin viel Erfolg und größtmögliche gesellschaftliche Wirkung. Ich wünsche ihm aus Anlass dieses Jubiläums auch, dass der 8. April als internationaler Tag der Roma neben dem 2. August als Tag des Gedenkens an den Porajmos, den Völkermord an europäischen Sinti und Roma künftig mehr ein Fest des kulturellen Entdeckens, der Gemeinschaft und der Freundschaft wird. 

Vielen Dank und alles Gute.